Wir Über uns  


13.2.2002
siehe den Satzungsentwurf

Nach elf Jahren vereint

Von Peter Gingold
Auf vier Seiten dieser "antifa"-Ausgabe [ gemeint ist die Internet-Seite:  ] legen die Vorstände der beiden größten deutschen antifaschistischen Verbände den Entwurf der Satzung für eine gemeinsame Organisation vor.

Im Herbst dieses Jahres werden noch einmal und am gleichen Tag getrennte Kongresse stattfinden, in denen die von einer gemeinsamen Kommission erarbeitete Satzung zur Diskussion und Abstimmung vorliegt. Mit der Annahme sind dann der VVdN-BdA in den neuen Bundesländern und die VVN-BdA in den alten Bundesländern zu einem gesamtdeutschen Verband zusammengeschlossen.

Als vor elf Jahren die DDR durch die Bundesrepublik vereinnahmt und in den neuen Bundesländern die ehemals Verfolgten des Naziregimes den IVVdN gründeten, dachte ich, wie wohl die meisten unserer Kameradinnen und Kameraden in Ost und West, wir werden nicht lange in getrennten Organisationen den antifaschistischen Kampf führen.

Bald werden wir uns zusammenschließen, fast so schnell wie alle Parteien und sonstigen Organisationen der ehemaligen DDR und der BRD, für die es letztenendes keine Vereinigung, sondern lediglich ein Überstülpen durch den Westen gab. Der gängige Spruch "Es wächst zusammen, was zusammengehört", wäre absurd für uns. Wir brauchten nicht erst zusammenzuwachsen, wir gehörten immer zusammen im antifaschistischen Widerstand, so wie alle Verfolgten des Naziregimes, einschließlich der Nachgeborenen, die es übernommen haben, ein Deutschland zu schaffen, in dem es nie wieder zur faschistischen Barbarei kommen kann.

Nur dachte ich wirklich nicht, dass wir hierzu elf Jahre brauchen. Bei allem was uns verbindet, unterschätzte ich jedoch, was uns 40 Jahre in zwei getrennten deutschen Staaten unterschiedlich geprägt hat. Der eine Staat, der sich den Schwur von Buchenwald zu Eigen machte, sich den "allerschlimmsten" Vorwurf einhandelte, den Antifaschismus verordnet zu haben - ach wie hätte ich es mir gewünscht, alle Staaten der Welt würden den Antifaschismus verordnen - und der andere Staat, der eher den Antikommunimus als den Antifaschismus verordnete, ja ihn zur Staatsdoktrin machte und damit den alten und den neuen Nazis unerhörten Auftrieb verschaffte.

Der eine Staat, antifaschistische Widerstandskämpferinnen und Kämpfer an der Spitze, der alles förderte, was den antifaschistischen Zielen diente.
Der andere Staat, in dem ehemals hohe Nazifunktionäre alles werden konnten, in fast allen Schaltstellen saßen. Man nannte ihn den Globke-Staat.

Die politischen Unterschiede führten zwangsläufig zu unterschiedlichen Strukturen und Mitgliedschaften, Ursachen, die es u.a. erklärbar machen, warum wir doch einige Zeit brauchten, ein einheitliches Ganzes zu werden. Aber es behindert uns nicht, seit langem mit einer Stimme aufzutreten, in gemeinsamen Erklärungen und Aktionen gegen die anwachsende rassistische Gewalt, gegen den zunehmenden Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, gegen die von der Polizei geschützte Zusammenrottung von Neonazis in immer mehr Städten, für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, für die Erhaltung und Pflege der Gedächtnisstätten, gegen ihre geschichtsrevisionistische Verfälschung. Auf gemeinsamen Konferenzen tauschten wir unsere Erfahrungen aus.

Aber die rasante Rechtsentwicklung in diesem Lande drängt, unsere Kräfte in einer einheitlichen Organisation zu bündeln. Leben wir doch in einem Land, das weder Rassismus noch Herrenmenschentum abgeschworen hat. Leben wir doch in einem Land, das wieder Krieg führend geworden ist. Dies mit unglaublicher Skrupellosigkeit begründet als Wiedergutmachung der Naziverbrechen, eine neue Art der "Vergangenheitsbewältigung".

Aus "Nie wieder Krieg!", "Wieder Krieg, damit nie wieder Auschwitz"!

Der Missbrauch der Toten von Auschwitz zur Rechtfertigung Deutschlands im Krieg gegen Jugoslawien vor zwei Jahren. Nun in Afghanistan und wie bereits angekündigt, in allen Regionen und Meeren, wo es um freien Zugang zu den Rohstoffquellen geht, wo es also "deutsche Interessen" zu verteidigen gilt. Wieder gutgemacht, was gegen den Hitlerfaschismus versäumt wurde, jetzt endlich auf der richtigen Seite, der Guten gegen die Bösen, gegen so genannte Schurkenstaaten, also freie Fahrt in die Zukunft einer wieder entstandenen deutschen Großmachtpolitik. Schluss mit dem Pazifismus, Schluss mit dem Antifaschismus, längst die beschworene Gefahr vom Rechtsextremismus verdrängt durch die Hysterie einer Anti-Terrorismus-Politik. Und welcher Aufwind nun für die Rechten, für die Neonazis.

Mehr denn je ist der Antifaschismus gefordert! Auf jede Erscheinung von Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Militarismus die einheitlich antifaschistische Stimme hörbar machen! Jede Verharmlosung ist eine Missachtung der Erfahrung der deutschen Geschichte. Wer denn sonst, wenn nicht wir, haben die warnende Stimme zu erheben, unüberhörbar! Und darum ist es höchste Zeit für eine einheitliche antifaschistische Organisation, die VVN-BdA, die ihre Wurzel hat in dem aufopferungsvollen Widerstand deutscher Frauen Männer mit unermesslichen Opfern gegen Faschismus und Krieg.

Peter Gingold ist Bundessprecher der VVN-BdA.


siehe den Satzungsentwurf
der gemeinsamen Organisation
aus VVN-BdA
und VVdN-BdA


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