Wir Über uns  


8.11.2003
Aufruf zum 9. November 2003

Ehemalige NS-Verfolgte
und Widerstandskämpfer/innen
wehren sich
gegen Antisemitismus in Deutschland

Unmittelbar vor dem 65. Jahrestag der Pogrome gegen jüdische Bürger/innen am 9. November 1938 wird mit den Äußerungen des Bundestagsabgeordneten Hohmann und des Bundeswehrgenerals Günzel wieder einmal deutlich, dass Antisemitismus in der "Mitte der Gesellschaft" verankert ist und damit ein ernsthaftes Problem für die Demokratie unseres Landes darstellt. Überlebende des NS-Terrors und ehemalige Widerstandskämpfer/innen haben deshalb den folgenden Aufruf verfasst.

Aufruf:

Wir, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, rufen auf:


  Gedenkt der Pogromnacht vor 65 Jahren,
am 9. November 1938!

Damals wurden in ganz Deutschland durch die SA-Sturmkolonnen die Synagogen angezündet, über 7500 jüdische Läden und Geschäfte demoliert, geplündert und in Brand gesetzt.

Unter Berufung auf die "kochende Volksseele" wurden die Wohnungen tausender jüdischer Familien zertrümmert und ausgeraubt, wurden dreißigtausend jüdische Menschen in die KZ verschleppt.

Dieser Tag war eine Station auf dem Weg zur Vernichtung der europäischen Juden. Der Rauch der brennenden Synagogen ging dem Rauch von verbrannten Menschen aus dem Krematorium von Auschwitz voraus.

Dieser Tag kündete aber auch den kommenden barbarischen Vernichtungskrieg an. Mit ihm sollte getestet werden, inwieweit die Bevölkerung kriegsbereit ist, indem sie mitten im Frieden Gewalt, Raub, Brandschatzung und Mord hinnimmt.

Es geschah unter aller Augen. Deshalb lasst uns immer wieder die Frage stellen:
  • Wo blieb der millionenstimmige Aufschrei:
    Das dürfen wir nicht zulassen!?
  • Warum läuteten nicht die Kirchenglocken zum Protest?
  • Was hat die Menschen so gleichgültig oder passiv und teilnahmslos gemacht?
Wie tief war doch dieser Antisemitismus in der Bevölkerung verwurzelt.

Auschwitz darf sich nie wiederholen - das muss unsere Verpflichtung für die Zukunft sein!

An diesem Jahrestag der Pogromnacht haben wir, die Überlebenden des faschistischen Terrors, viele Gründe alarmiert zu sein! Der Antisemitismus, der nach 1945 das Tageslicht scheute, ist wieder gesellschaftsfähig geworden. Parolen werden zu Taten. Jüdische Grabstätten und Einrichtungen werden fortwährend geschändet. Das zum 9. November geplante Sprengstoffattentat auf ein im Bau befindliches jüdisches Gemeindezentrum in München konnte noch rechtzeitig verhindert werden.

Die Nazis marschieren wieder, und oberste Richter geben dafür die Straße frei. Tagtäglich erleben wir rassistische Gewalt.

Erschreckend ist die gesellschaftliche Zustimmung zur Ausgrenzung, Diskriminierung und Entrechtung von Menschen, die als "Ausländer" wahrgenommen werden. Damals waren es jüdische Menschen, die ausgegrenzt, diskriminiert, entrechtet und schließlich ermordet wurden.

Aus der Erfahrung unseres Lebens sagen wir:

Nie mehr schweigen, wegsehen, wie und wo auch immer Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hervortreten!

Erinnern heißt Handeln!
 

Unterzeicher/innen:
Manfred Alexander
Christian Anacker
Dr. Kurt Bader
Horst Bahnick
Sonja Barthel
Esther Bejarano
Waltraud Blass
Walter Bloch
Dr. Hans Börger
Ruth Czichon
Prof. Dr. Stefan Doernberg
Henny Dreifuss
Wolfgang Eckstein
Hilde Faul-Gerber
Wilhelm Gabel
Jupp Gerats
Wera Gietzelt
Kurt Goldstein
Werner Goldstein
Dr. Kurt Gossweiler
Ernst Grube
Ilse Grubitz
Richard Grubitz
Kurt Hälker
Hella Händler
Werner Händler
Volkmar Harnisch
Alice Hoffmann
Albert Holzmüller
Heinz Junge
Lore Junge
Werner Knapp
Heinz Koch
Adam König
Maria König
Irmgard Konrad
Gera
Erfurt
Lüneburg
Berlin
Lüneburg
Hamburg
Wuppertal
Düsseldorf
Hamburg
Berlin
Berlin
Düsseldorf
Berlin
Nürnberg
Gera
Halle
Berlin
Berlin
Berlin
Berlin
München
Berlin
Berlin
Berlin
Berlin
Berlin
Berlin
Gera
Leipzig
Dortmund
Dortmund
Berlin
Weimar
Berlin
Berlin
Berlin
     P. Korn
Dr. Annemarie Krüger
Lore Krüger
Elisabeth Kunesch
Dr. Rolf Landsberg
Prof. Dr. Kurt Langendorf
Prof. Dr. Hans Lauter
Fred Löwenberg
Martin Löwenberg
Ernst Melis
Karl Metzner
Vera Mitteldorf
Adolf Noetzel
Arno Neumann
Kurt Pappenheim
Werner Pless
Hanna Podymachina
Anna Pröll
Gertrud Richter
Irmgard Roeglin
Ottomar Rothmann
Erwin Schulz
Walter Seyfarth
Hans-Jürgen Soldien
Ernst Springer
Rahel Springer
Alice Stern
Lieselotte Sukowski
Maria Wachter
Manfred Weiß
Elsa Werner
Marianne Wilke
Kurt Wittenberg
Steffi Wittenberg
Jens Wutemann
Berlin
Berlin
Berlin
Flöha
Berlin
Berlin
Chemnitz
Berlin
München
Berlin
Erfurt
Berlin
Hagen
Hagen
Schmalkalden
Berlin
Berlin
Augsburg
Gera
Hamburg
Weimar
Berlin
Berlin
Gernrode
Großpösna
Großpösna
Halle
Hamburg
Düsseldorf
Gotha
Hamburg
Wedel
Hamburg
Hamburg
Hamburg

Die Unterzeichner waren während der Nazidiktatur in Gefängnissen, Zuchthäusern und in den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald, Dachau, Esterwegen, Mauthausen, Moringen, Ravensbrück, Theresienstadt eingesperrt oder mussten emigrieren.

Andere beteiligten sich am Widerstand gegen das NS-Regime in Deutschland, kämpften in der französischen Resistance, in Partisanenbewegungen der okkupierten europäischen Länder bzw. in den Armeen der Antihitlerkoalition.

ViSdP: VVN-BdA, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin
 


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