Wir Über uns  


5.9.2005

Keine Stimme den Neonazis -
NPD raus aus Kaiserslautern und anderswo

Mahnwache und Kundgebung gegen den Aufmarsch der NPD
3.9.2005, Synagogenplatz Kaiserslautern

Stefan Gleser

Bunte Gedanken statt braunes Grölen

Mahnwache und Kundgebung am Synagogenplatz in Kaiserslautern

Jeder, der am vorigen Samstag öffentlich meinte, dass in Kaiserslautern Nazis nichts zu suchen hätten, wurde bestens behütet. Anzahl und Ausrüstung der Polizisten reichten wohl aus, um den Anschluss Luxemburgs zu gewährleisten. Die Ordnungshüter waren aus der Oberpfalz hergekarrt worden; ihre etwaige Einsatzfreude sollte wohl nicht durch persönliche Bekanntschaft geschmälert werden. Der Rucksack eines jungen Mädchens gefährdete sicherlich die Sicherheit und wurde sorgfältig gefilzt.

Der Kreis der Unterstützer schillerte dank des Werbens der VVN-BdA in allen Farben des Regenbogens: vom satten Schwarz des CDU-Bewerbers um das Direktmandat, Dr. Walter Altherr, bis zum schrillbunten 15jährigen Punk.

Trotz der Barbarossawoche, des Marktes, des schönen Wetters und des wenigen Geldes, das für Flugblätter zur Verfügung stand, hatten sich gegen 13 Uhr ca. 120 Bürgerinnen und Bürger versammelt.

Ob konservativer Katholik oder übrig gebliebener Kommunist; sie waren alle vernünftigerweise bemüht, die Veranstaltung gesittet durchzuführen. So sauber wie nach dem Treffen der Antifaschisten dürfte der Synagogenplatz noch nie gewesen sein.

Thomas Schulz vom DGB forderte zu Beginn von der Polizei etwas mehr "Fingerspitzengefühl" gegenüber Demokraten. Auch Gewerkschaftler seien, wie Untersuchungen gezeigt hätten, nicht gegen Rechtsradikalismus gefeit. Die Neonazis würden Musik als Lockmittel verwenden, um Jugendliche zu gewinnen. CDs mit rechten Texten und würden an Schulen verteilt werden. Wem seine Rede zu lang war, empfahl er den Slogan der DGB-Jugend: "Kein Sex mit Nazis."

Norbert Kaiser, Pfarrer der St. Martins-Gemeinde, erzählte aus seiner Jugend. Seine Mutter hätte einem Zwangsarbeiter aus Polen Brot zugesteckt. Sie sei dabei von einer Nachbarin, einer Nationalsozialistin, beobachtet worden und gewarnt worden. Fall sie dies weiterhin täte und es bekannt würde, liefe sie Gefahr eingesperrt zu werden. "Bei uns sollen Fremde in Würde und Achtung leben können." Das Schaf, das NPD wähle, werde garantiert selbst geschlachtet.

Peter Leppla, der im Juli ein Konzert "Rock gegen Rechts" veranstaltet hatte, schilderte die Lage auf dem Willy-Brandt-Platz. Die Polizei hätte ihn, "zu seiner eigenen Sicherheit", so die Begründung, nicht durchgelassen. Der Redner der NPD habe sich gegen Kindergeld an Ausländer ausgesprochen; in der Türkei würde er auch kein Kindergeld erhalten. Zudem habe er in außergewöhnlich rüder Form die Politik der Vereinigten Staaten angegriffen. Deren Wurzeln, bürgerliche Revolution und Aufklärung seien den Nazis besonders verhasst.

Ferner sprach Ingo Holzapfel von der Stiftskirche.

Spontan meldete sich ein älterer Mann. Der erzählte, er habe seine Kameraden sterben sehen und sechs Jahre durch den Krieg verloren.

Im Gegensatz zu Dahn hatte die Stadt Kaiserslautern keine Rechtsmittel ausgeschöpft, um den Aufmarsch der Nazis zu verhindern, und keinen offiziellen Vertreter entsandt. Während der Mahnwache liefen im Hintergrund Lieder des Widerstandes. Darunter das anrührende und legendäre "Moorsoldaten", zur Erinnerung an den geschundenen Friedenssoldaten Ossietzky und seinen Leidensgenossen.

Die Versammlung tat dann das, was sie gerne tut, nämlich sich auflösen. Noch einzelne Grüppchen vertieften sich in Gesprächen.

Randi Abshagen, eine Psychoanalytikerin, die sich seit Jahren in der Antifa engagiert, sprach besänftigend mit einigen Polizisten. Die waren erst einmal überrascht, dass ganz unterschiedliche Positionen zu Wort gekommen waren. Die Polizisten, so Abshagen, entstammten zumeist aus Familien, für die der öffentliche Dienst Sicherheit und sozialer Aufstieg bedeute. Unter den Teilnehmer an der Kundgebung seien aber einige durch Beruf und Bildung privilegiert. So entstünde eine merkwürdige Situationen: die Armen, in diesem Fall die Polizei, sei im Unrecht; und die Reichen, also die Demonstranten, im Recht. Es sei der seltene Fall, dass die Armen den Reichen Anweisungen geben könnten.

Beitrag der VVN-BdA Kaiserslautern:

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir sind heute hier zusammengekommen, um gegen den Aufmarsch einer Partei zu protestieren, die eigentlich verboten sein müsste. Die NPD ist eine neofaschistische, gewalttätige und aggressiv-verfassungsfeindliche Partei. Ihre Politik und Ideologie zielen auf die Vernichtung aller anderer Parteien und Institutionen unseres Landes.

Mit ihren Anti-Antifa-Strukturen, die für die Verfolgung politischer Gegner werben, ihrer Verherrlichung des Nationalsozialismus - etwa mit Parolen wie "Ruhm und Ehre der Waffen-SS", ihrem aggressiven und uniformierten Auftreten in der Öffentlichkeit, ihrem Eintreten für einen völkisch-autoritären Staat und dem Konzept sogenannter "national-befreiter Zonen", die jeden Andersdenkenden und allen Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge aus diesen "Zonen" vertreiben wollen, erweist sie sich als eine gefährliche neonazistische Kraft.

Ihre soziale Demagogie gleicht jener der Nazis vor 1933. Selbst die entsprechenden Losungen ähneln sich. Zugleich bedienen sie sich der Sündenbocktheorie. Mit rassistischen Losungen wie "Gute Heimreise" wird wieder suggeriert, die Ausländer seien unser Unglück.

Sie knüpfen wie gehabt an die niedersten Instinkte und an die primitivsten Ansichten von Menschen an. Nationalismus, Chauvinismus, Rassismus und nicht zuletzt der Antisemitismus sind die ideologischen Bindeglieder ihrer Aktivitäten. Und die werden zunehmend aggressiver. Verbal und physisch.

Wo denen nicht das Wort verboten, wo solchen die Straße überlassen wird, ist es kein Wunder, dass kaum eine Woche vergeht ohne Überfälle auf Ausländer, Linke, Behinderte, ohne Schändung jüdischer Friedhöfe, antifaschischtischer Ehrenmale.

Ihre derzeitigen ideologischen Angebote und die zugehörige Rhetorik zentrieren sich vor allem um vier Kerne:

  • Ethnisierung der sozialen Frage,
    d.h.: Selbststilisierung als "national" und "sozial", als Organisator von Sozialprotest und "Vertreter der deutschen Interessen" sowie autoritärer Fürsorglichkeit;
  • Demokratie- und Systemkritik,
    d.h.: Aufnahme von Politik-, Parteien- und Demokratieverdrossenheit bzw. Entfremdung in großen Teilen der Bevölkerung;
  • Fremden- und Ausländerfeindlichkeit,
    d.h.: Mobilisierung von Vorurteilen, Mentalitäten und Schuldzuweisungen in Teilen der Bevölkerung;
  • Völkisches Denken, Nationalismus, offener Rassismus und Antisemitismus sowie Antiamerikanismus,
    d.h.: "Deutsche zuerst", "stolz Deutscher zu sein" sowie nationale Tabubrüche (Täter und Opfer werden neu konstelliert und instrumentalisiert), verbunden mit der Verharmlosung und Relativierung der NS-Zeit und Kriegsschuld.

Wir stehen heute an einem Ort, der symbolisch aufzeigt, wohin es führen kann, wenn solche Kräfte Einfluss und Macht gewinnen. Deshalb haben wir auch heute ab 11 Uhr hier eine Mahnwache durchgeführt.

Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus mahnt uns an die dauerhafte Verpflichtung, die Demokratie zu bewahren. Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass dem Rechtsextremismus auch in Kaiserslautern politisch und mit allen Mittel des Rechtsstaates entgegengetreten wird.

Immer wieder müssen wir deutlich machen, dass menschenverachtende Ideologien wie Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in unserer Stadt nichts zu suchen haben.

Dazu gehört aber auch, denen auf die Füße zu treten, die meinen, man könnte neofaschistische Aufmärsche durch wegsehen und unter-den-Teppich-kehren flach halten.

Wegsehen und Nichtbeachtung ist keine antifaschistische Strategie!

In vielen anderen Städten und Gemeinden haben die Verantwortlich sich nicht weggeduckt, sondern haben Zeichen gesetzt. So beispielsweise am letzten Wochenende in Dahn oder im letzten Jahr der Bürgermeister von Wunsiedel (CSU), der sich dem Rudolf-Hess-Gedächtnismarsch der Neonazis entgegenstellte.

Ich meine: zum vor Jahren ausgerufenen Aufstand der Anständigen gehört zuallererst auch der Anstand der Zuständigen.

Zur Bundestagswahl am 18. September will die NPD in den 16 Bundesländern mit Listen und in den Wahlkreisen mit Direktkandidaten antreten. "Wir haben keinen Grund uns zu verstecken", heißt es in der aktuellen Ausgabe des NPD-Blattes "Deutsche Stimme" in einem Bericht über die NPD-Bewerber für den - wie sie schreiben - "Reichstag".

Ein Grund, die Bewerberschar genauer unter die Lupe zu nehmen. Und das Ergebnis: zahlreiche NPD-Bewerber zur Bundestagswahl haben eine neonazistische Vergangenheit in bereits verbotenen Organisationen und/oder sind einschlägig vorbestraft. Wie sollte es auch anders sein.

Hier nur einige Beispiele:

Klaus Beier, NPD-Bundespressesprecher und Landesvorsitzender in Brandenburg, war stellvertretender Schatzmeister der 1992 verbotenen Neonazi-Gruppe "Deutsche Alternative".

Thorsten Heise, Mitglied des NPD-Bundesvorstandes, der wegen diverser Delikte, darunter gefährliche Körperverletzung, rund 38 Monate im Gefängnis saß, war niedersächsischer Landesvorsitzender der "Freiheitlichen Arbeiterpartei" (FAP).

Sascha Roßmüller, NPD-Bundesvorstandsmitglied, bayerischer NPD-Landesgeschäftsführer, Berater der NPD-Fraktion in Sachsen, vormals Chef der Jungen Nationaldemokraten (JN), gehörte 1991 zu den Gründungsmitgliedern des 1993 in Bayern verbotenen "Nationalen Blocks".

Edda Schmidt, Mitglied des NPD-Landesvorstandes Baden-Württemberg, unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestraft, war Gaumädelführerin der 1994 verbotenen Wiking-Jugend (WJ). Über zehn Jahre hinweg amtierte sie als Schriftleiterin der WJ-Postille "Wikinger".

Frank Schwerdt, NPD-Bundesgeschäftsführer und NPD-Landeschef in Thüringen, vorbestraft wegen Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organe und Volksverhetzung, stand der Gruppe "Die Nationalen" vor, die im November 1997 durch Auflösung einem Verbot zuvorkam.

Thomas Wulff, unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestraft, persönlicher Referent des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, war Kopf der 1995 in Hamburg verbotenen "Nationalen Liste". Wulff gilt als einer der wichtigsten Exponenten der "Freien Kameradschaften".

Jürgen Rieger kandidiert für die NPD in Hamburg. Der Rechtsanwalt ist wegen Bedrohung und mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt.

Rigolf Hennig, parteilos, ehemals Kreisvorsitzender der "Republikaner" in Niedersachsen ist vorbestraft wegen Volksverhetzung. Er war verantwortlich für die Veröffentlichung eines Artikels, in dem es hieß: "Den Holocaust gab es nicht."

So weit so schlecht.

Wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten, gegründet wie der Name sagt von ehemaligen Verfolgten des Faschismus meinen:

Wer der NPD seine Stimme gibt, wählt nicht Protest sondern Neonazis!

Wir meinen aber auch, dass es wichtig ist, auf jeden Fall wählen zu gehen. Am Wahltag zählen nur die abgegebenen Stimmen und keine noch so gut gemeinte Demonstration von Ablehnung oder Abstinenz. Je geringer die Wahlbeteiligung, desto höher ist der Stimmenanteil der Neonazis.

Ab 0,5 Prozent bekommen die Parteien für jede Stimme Wahlkampfkostenerstattung. Mit diesem Geld könnten sie dann ihre Parteistrukturen weiter aufbauen und ihre menschenverachtende Politik unter die Bevölkerung bringen. So konnte die Deutsche Volksunion (DVU) bei den Wahlen in Brandenburg 60.000 Euro und die NPD in Sachsen mehr als 162.000 Euro beanspruchen. 2003 hatten beide Parteien auf diesem Wege mehr als 565.000 Euro erhalten.

Ich möchte meinen Beitrag schließen mit einem Zitat von Erich Kästner. Auf der PEN-Tagung am 10. Mai 1958 sagte er:

"Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat."

Deshalb:

NPD raus aus Kaiserslautern und anderswo!

Kein neuer Morgen für die von gestern!

Faschismus ist keine Meinung - sondern ein Verbrechen!




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