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9.9.2008

Offener Brief an den Stadtrat Kaiserslautern

In Sachen Ehrenbürgerschaft von Adolf Hitler, Paul von Hindenburg, Josef Bürckel und Wilhelm Frick

In einem Offenen Brief hat der Antifaschistische Ratschlag Kaiserslautern die Stadtratsmitglieder aufgefordert, sich politisch von der Ernennung der Ehrenbürger Hitler, Hindenburg, Bürckel und Frick zu distanzieren.

Leider sei man in Kaiserslautern einer solchen Entscheidung bis jetzt aus dem Wege gegangen. Es sei aber längst überfällig, die Zeit zwischen 1933 und 45 in ihrer Komplexität aufzuarbeiten.

Im Stadtrat hatten die Nazis am 26. April 1933 erst die SPD-Stadtratsmitglieder mit Gewaltdrohungen aus der Sitzung geworfen. Dann wurden Hitler, Hindenburg, Bürckel und Frick zu Ehrenbürgern ernannt. Am 13. September 1933 nahm dann der Nazi-Stadtrat mit Befriedigung zur Kenntnis, dass Hitler die Ehrenbürgerschaft angenommen hatte.

Wir dokumentieren den Offenen Brief.


Offener Brief


An die im
Stadtrat Kaiserslautern vertretenen Fraktionen
- alle Ratsmitglieder -
Rathaus Kaiserslautern

Kaiserslautern, den 9. September 2008

Sehr geehrte Damen und Herren,
werte Mitglieder des Stadtrates Kaiserslautern,


wir möchten Sie bitten, sich in der Stadtratsitzung am 29. September 2008 politisch von der Ernennung der Ehrenbürger Hitler, Hindenburg, Bürckel und Frick zu distanzieren.

Nachdem man den historischen Bezug im April dieses Jahres bereits tatenlos verstreichen ließ, sollte man wenigstens bei der Septembersitzung entsprechend reagieren. Laut Protokoll hat der Nazi-Stadtrat am 13. September 1933 mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass Hitler die ihm im April 33 angetragene Ehrenbürgerschaft angenommen hat. Wir fordern Sie auf, diesen historischen Bezug nicht ebenfalls tatenlos verstreichen zu lassen und sich von diesen "Ehrenbürgern" nach 75 Jahren endlich politisch zu distanzieren.

Was geschehen ist, können wir nicht mehr rückgängig machen, aber wir müssen uns von dieser Vergangenheit deutlich distanzieren. Es gehört zur politischen Kultur, dass ein Trennstrich zu Hitler und Konsorten gezogen wird, dass sie auch symbolisch entehrt werden. Die Distanzierung von der Ehrenbürgerschaft ist ein symbolisches Handeln und ein politisches Zeichen gegen alte und neue Nazis, vor allem in Anbetracht der bevorstehenden Kommunalwahlen.

In rund 4.000 Städten wurde Hitler & Co. damals die Ehrenbürgerschaft verliehen. In vielen davon, u.a. auch in Ludwigshafen und Mainz (in diesen Fällen liegen uns auch Unterlagen vor), hat man diese Ehrenbürgerschaften gelöscht oder sich von ihnen distanziert.


"... auch tote Lumpen bleiben trotzdem Lumpen"

Dieses Zitat stammt von Jacob Süss, in der Ratssitzung am 14. November 1946 in Ludwigshafen. "Ohne Rücksicht auf die Gesetze möchte ich zum Ausdruck bringen, dass diese Angelegenheit nicht nur eine gesetzliche, sondern auch eine moralische ist und dass wir als Stadtrat verpflichtet sind, von den Beschlüssen des Nazistadtrates abzurücken. Es ist eine Charaktersache, denn tote Lumpen bleiben trotzdem Lumpen."

Leider ist man in Kaiserslautern einer solchen Entscheidung bis jetzt aus dem Wege gegangen. Diese Angelegenheit wurde bereits 1985 in Kaiserslautern thematisiert. In einer Stellungnahme des damaligen Oberbürgermeisters, Theo Vondano (CDU), heißt es lapidar, "die verliehenen Ehrenbürgerrechte sind, soweit bekannt, nicht durch formellen Beschluß aufgehoben worden." Weiter heißt es: "... mit Ende der nationalsozialistischen Ära 1945 wurden diese Ehrungen hinfällig, wenn sie als solche nicht mit dem Tode der geehrten Person schon gegenstandslos geworden waren."

Wie vor über 20 Jahren beruft sich nun die Kaiserslauterer Bürgermeisterin Wimmer-Leonhardt (SPD) auf §23 der Gemeindeordnung, in der es in der VV zu §23 GemO heißt: "(2) Das Ehrenbürgerrecht kann nur lebenden Personen verliehen werden. Es erlischt mit dem Tod des Ehrenbürgers."

Mit dem Zurückziehen der Verwaltung auf die rein formale Ebene geht man in Kaiserslautern einer lästigen Vergangenheitsbewältigung bewusst aus dem Weg. Somit sind Hitler und Konsorten ein trauriges Kapitel nicht nur der deutschen Geschichte, sondern auch der Kaiserslauterer Gegenwart.

Es ist längst überfällig, dass man in Kaiserslautern die Zeit zwischen 1933 und 45 in ihrer Komplexität aufarbeitet. Gerade die Initiative der SPD-Fraktion im Stadtrat, am alten Stadthaus eine Tafel für die SPD-Stadtratsmitglieder, die am 26. April 33 des Rates verwiesen wurden, anzubringen, zeigt, dass hier nur ein Ereignis dieser Ratssitzung im Fokus steht. Wenn sich die SPD auf den 26. April 1933 bezieht, an dem ihre damaligen Mitglieder von den Nationalsozialisten des Stadtrates verwiesen wurden, ist dies nur eine Aktion der Nazis an diesem Tag gewesen. Auf der gleichen Sitzung wurden Hitler, Hindenburg, Bürckel und Frick aus politischen Gründen für Ehrenbürger der Stadt Kaiserslautern erklärt. Diese nehmen in der Reihenfolge der Kaiserslauterer Ehrenbürger die Plätze sieben bis zehn ein. Die Frage die man sich stellen sollte: Ist es dann noch eine Ehre für die Persönlichkeit, die auf Platz elf folgt? Es handelt sich dabei um den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Eugen Hertel. Gerade sein Name soll jetzt mit weiteren sieben Namen auf dieser Tafel veröffentlicht werden.

Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, endlich mit der Aufarbeitung der Geschichte von Kaiserslautern zu beginnen. Hierzu sollten alle gesellschaftlich relevanten Gruppen und fachkompetenten Personen an einen Tisch gebracht werden. An diesem "Runden Tisch" sollte eine Struktur für die historische Aufarbeitung erarbeitet werden. Unter fachlicher Begleitung eines Lehrstuhls für Politik- oder Geschichtswissenschaften und Einbeziehung von Stiftungen kann durch Vergabe von Diplomen und Doktorarbeiten das dunkle Kapitel der Stadt Kaiserslautern aufgearbeitet werden.

Wir sehen es nicht als unserer Aufgabe, hier eine Beschlussvorlage für den Stadtrat mit an die Hand zu geben; sind aber gerne bereit, Material zur Verfügung zu stellen. Weiterhin bieten wir den im Stadtrat vertretenen Fraktionen an, sie bei der Formulierung eines Antrages zu unterstützen.

Flankierend zu diesem Offenen Brief führen wir unter dem Motto "75 Jahre sind genug" eine Unterschriftenaktion zur Distanzierung von der Ehrenbürgerschaft von Hitler und Co. durch. Die Unterschriftenliste ist auf der Homepage der VVN-BdA Kaiserslautern eingestellt (www.vvn-bda-kl.de). Wer diese Aktion unterstützen möchte, kann online unterschreiben.

Freundliche Grüße,

Antifaschistischer Ratschlag Kaiserslautern

Wir, der Antifaschistische Ratschlag Kaiserslautern, sind eine Aktionsgemeinschaft und verstehen uns als überparteiliche und überkonfessionelle Organisation, die der Meinung ist, dass in der Auseinandersetzung gegen Rassismus und Neofaschismus jeder Beitrag gebraucht wird. Deshalb arbeiten wir mit anderen Initiativen, Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen zusammen.

Informationen zu unserer Aktion befinden sich auf der Homepage von www.vvn-bda-kl.de