Wir Über uns  


25.10.2003

Versuch einer Chronik

über die Forderung, auf dem Synagogenplatz in Kaiserslautern eine Namens- und Gedenktafel zu errichten.
"In Westdeutschland, einschließlich Berlin, ist nicht etwa eine Gedenkstätte entstanden, weil eine Regierung auf die Idee gekommen wäre, das müssen wir jetzt machen. Sie sind entstanden aus Initiativen, aus Bürgerinitiativen, die sie den Landesregierungen, den Stadtregierungen, der Bundesregierung abgetrotzt haben",

Dr. Nachama ehem. Geschäftsführender Direktor der "Stiftung Topographie des Terrors" in Berlin und ehem. Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde Berlin.



1990 überreichen Bernhard Gerlach und Roland Paul dem Oberbürgermeister eine Liste mit 144 Namen (mittlerweile umfasst die Liste über 170 Namen), die sie aufgrund ihrer fast 10-jährigen Recherche zusammengetragen haben.
Es sind die Namen Kaiserslauterer Bürgerinnen und Bürger, die aufgrund ihres jüdischen Glaubens oder Herkunft in den Jahren 1933-1945 Opfer der faschistischen Barbarei wurden. Aus diesem Anlass machen sie den Vorschlag, mit einer Erinnerungs- oder Gedenktafel an diese Menschen zu erinnern.
Februar 1991 Die Stadtratsfraktionen befürworten das Anbringen einer Namenstafel an passender Stelle. Der Kulturausschuss der Stadt unterstützt das Vorhaben und beschließt, ein Mahnmal zu errichten. Danach geschieht jahrelang nichts, bis im
Mai 1995 der Ortsbeirat Innenstadt Ost auf Anregung der VVN/BdA in einem Beschluss die Stadt auffordert, diesen Plan endlich umzusetzen.
Die Grünen greifen dies im Stadtrat auf, erinnern den Stadtrat an seine alten Beschlüsse und fordern die Errichtung einer Gedenk- und Namenstafel.
November 1995 Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA), die seit 1992 jährlich eine Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht auf dem Synagogenplatz durchführt, enthüllt eine erste provisorische Mahn- und Gedenktafel mit den Namen der Opfer. In einem Rheinpfalz-Artikel bezeichnet der damalige "Kulturdezernent" diese Veranstaltung als "Effekthascherei".
Provisorische Mahn- und Gedenktafel der VVN/BdA mit den Namen der Opfer, 9. November 1995

Januar 1996 In einem Zeitungsinterview bekräftigt der Vorsitzende im Ortsbeirat Innenstadt Ost die Forderung des Ortsbeirates nach einer Namenstafel.
März 1996 Eine Gruppe jüdischer Emigrantinnen und Emigranten aus der Pfalz in New York unterstützen bei einem Treffen mit zwei Pfälzer Historikern ebenfalls ein Denkmal mit den Namen aller Opfer aus Kaiserslautern.

"Der an der New Yorker Universität lehrende Professor Dr. Werner Maas, als 15 Jähriger mit seiner Mutter 1936 aus Kaiserslautern emigriert, zeigte sich sehr erfreut über das Zustandekommen des Treffens. In seiner Ansprache dankte er auch für die Initiative zur Errichtung eines Gedenksteines für die über 170 im Holocaust umgekommenen Kaiserslauterer Juden. Auf dem Denkmal sollten auch die Namen all der in den Tod getriebenen Opfer zu lesen sein, 'damit sie nicht vergessen werden', forderte Maas als Sprecher der aus Kaiserslautern stammenden jüdischen Emigranten in New York."

(Sonntag aktuell 17. März 1996: " 's Pfälzisch in 60 Jahren unvergessen - Zwei Historiker suchen in den USA nach Spuren jüdischer Emigranten aus der Pfalz")
9. November 1996 Die VVN/BdA erneuert die von Witterungseinflüssen zerstörte Namenstafel und die nicht nur von ihr gestellte Forderung, auf diesem Platz eine würdige Erinnerungs- und Gedenktafel zu errichten.
9. November 1997 Gedenkveranstaltung zum 59. Jahrestag der Reichspogromnacht.
Die VVN/BdA initiiert den "Appell gegen das Vergessen" mit über 100 ErstunterzeichnerInnen, die fordern eine Gedenk- und Namenstafel bis zum 60. Jahrestag der Reichspogromnacht zu errichten.
Juni 1998 Die Rheinpfalz teilt mit, dass der Kulturausschuss einen baulichen Hinweis auf die frühere Synagoge empfiehlt, um "Problemen aus dem Weg zu gehen, die sich mit der Namensnennung der Kaiserslauterer Bürger ergeben könnten."
9. November 1998 60. Jahrestag der Reichspogromnacht.
Die VVN/BdA führt erneut eine Gedenkveranstaltung auf dem Synagogenplatz durch. Dabei werden von den über 150 TeilnehmerInnen 173 Namenstafeln aufgestellt, die an die Kaiserslauterer Opfer des Holocaust erinnern. Das Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde Kaiserslautern, Gluitz, der stellvertretende Leiter des Instituts für pfälzische Geschichte, Roland Paul und ein Sprecher der VVN/BdA fordern dabei erneut die Aufstellung einer Namens- und Gedenktafel.
173 Namenstafeln, aufgestellt von Teilnehmern der Gedenkveranstaltung am 9. November 1998

9. November 1999 61. Jahrestag der Reichspogromnacht.
Wiederum findet auf Initiative der VVN/BdA eine Gedenkveranstaltung statt.

Vor über 150 TeilnehmerInnen spricht Roland Paul zur Geschichte der Verfolgung jüdischer MitbürgerInnen in Kaiserslautern. Zum Abschluss seiner Rede sagt er:

"Heute leben noch einige Dutzend Kaiserslauterer Juden im Ausland, in Israel, Südafrika, Südamerika, Frankreich, Schweden, insbesondere in den USA. Mehrere von Ihnen habe ich dort in den letzten 20 Jahren besucht. Einige möchten nie mehr in ihre Heimat zurückkehren. Andere waren wiederholt zu Besuch hier, wie z.B. Werner Maas, Herbert Tuteur und Gerda Kayem. Die meisten warten auf eine Einladung ihrer Heimatstadt, wie dies viele deutsche Städte, Kreise und Gemeinden schon längst getan haben. Die Stadt Kaiserslautern hat diese Einladung bis zum heutigen Tag nicht ausgesprochen. Auch hoffen die überlebenden noch immer auf eine Gedenktafel für die nahezu 200 jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und auf eine würdigere Gestaltung dieses Platzes, wo einst die Synagoge stand."

Roland Paul, Herr Gluitz von der jüdischen Gemeinde und ein Sprecher der VVN/BdA bekräftigten nochmals die Forderung nach einer Namens- und Gedenktafel.
Ende November 1999 werden laut Rheinpfalz im Haupt- und Finanzausschuss auf Antrag der SPD 40.000 DM für eine "virtuelle" Rekonstruktion der Synagoge beschlossen.

In der gleichen Ausgabe der Rheinpfalz wird ein längerer Leserbrief abgedruckt.
Zwei Leserinnen beklagen den Zustand des Synagogenplatzes ("Mehr Hundekotplatz als Gedenkstätte") und fordern u.a. die Errichtung einer Namens- und Gedenktafel.
Dezember 1999 Die Rheinpfalz zitiert SPD-Chef Schermer:
"Es ist an der Zeit, dass wir mit einem Denkmal am Synagogenplatz ein Signal gegen das Vergessen setzen."
Januar 2000 In einem längeren Artikel in der Rheinpfalz kündigt Roland Paul einen erneuten Vorstoß in Sachen Gedenktafel für ehemalige jüdische Mitbürger an.
"Jetzt werde man diesem Verlangen mehr Nachdruck verleihen, kündigt der stellvertretende Leiter des Instituts für pfälzische Geschichte an."
Er kündigt die Gründung einer Art Bürgerinitiative an, die sich für eine Gedenktafel auf dem Synagogenplatz in der Fischerstraße einsetzten werde.

Die SPD kündigt laut Rheinpfalz Gespräche an, mit dem Ziel, dass "ein angemessenes Zeichen der Erinnerung auf dem Synagogenplatz gesetzt wird".

Adolf Wimmer, Ortsvorsteher Innenstadt Ost erklärt in der Rheinpfalz, dass er für einen rekonstruierten Torbogen und eine Namenstafel ist. (Dies sei auch die Meinung der CDU-Fraktion.)

Eine Reihe von Leserbriefen in der Rheinpfalz befürworten eine Namens- und Gedenktafel.
Februar 2000 Bürgermeister Dr. Arne Oeckinghaus gibt den Auftrag für eine virtuelle Rekonstruktion der Kaiserslauterer Synagoge an die Technische Universität Darmstadt. Das von den Nazis zerstörte Gebäude soll per Videofilm aus jeder Perspektive Bilder der Synagoge zeigen.

Wochenblatt vom 16.2.2000:
Erna de Fries ist die einzig bekannte Auschwitz-Überlebende aus Kaiserslautern und wird zum Film "Zwölf Jahre und zwölf Tage" interviewt. Wie viele andere jüdische Bürger, die früher in Kaiserslautern wohnten und jetzt in aller Welt verstreut leben, setzt sie sich für ein namentliches Gedenken an die Opfer ein. Sie hält am 17.2.2000 einen Vortrag in der Alten Eintracht über Juden in Kaiserslautern im 20. Jahrhundert.

Zum gleichen Ereignis schreibt die Rheinpfalz am 19.2.2000 unter dem Titel "Gedenken an die Menschen":
"Ein würdiger Gedenkort und eine Gedenktafel mit den Namen der während des Nazi-Regimes getöteten jüdischen Mitbürger aus Kaiserslautern sollen auf dem Synagogenplatz bald errichtet werden. Dafür haben sich am Donnerstagabend in der Alten Eintracht rund 200 Männer und Frauen ausgesprochen. Mit Nachdruck wurde an die Kommunalpolitiker aller Fraktionen appelliert, die seit Anfang der 90-er Jahre geforderte und zwischenzeitlich von den Ratsfraktionen befürwortete Mahnmal für die Opfer des Holocaust in die Tat umzusetzen. Zu der Veranstaltung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hatten die Initiatoren der Gedenktafel, Bernhard Gerlach und Roland Paul, der stellvertretende Leiter des Instituts für pfälzische Geschichte, geladen. [...]
In vielen Wortbeiträgen bekundeten die Bürger ihren Unmut darüber, dass trotz jahrelanger Bemühungen der Mahnmal-Initiative sich in Sachen Gedenktafel nichts getan habe. [...]
Der einstündigen Diskussion vorangegangen war ein Vortrag Gerlachs über die Geschichte und Bedeutung der Juden in Kaiserslautern. Breiten Raum nahmen die Schilderungen von Erna de Vries ein, die auf Einladung des St. Franziskus-Gymnasiums in ihrer Heimatstadt Kaiserslautern weilte. Sie berichtete über ihre schrecklichen Erlebnisse während des Dritten Reichs und über die Deportation ihrer Familie nach Auschwitz."


Rheinpfalz 21.2.2000:
CDU unterstützt Gedenktafel.
Für einen gemeinsamen Antrag der Ratsfraktionen zur Aufstellung eines Mahnmals einschließlich einer Gedenktafel mit den Namen der im Dritten Reich getöteten Kaiserslauterer Juden auf dem Synagogenplatz hat sich der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Deubig am Wochenende ausgesprochen. [...]
Was die Finanzierung angeht, verwies Deubig auf 40 000 Mark für die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge durch die Universität Darmstadt und 50 000 Mark, die im Vorgriff auf eine Gesamtgestaltung von Torbogen und Namenstafel im Haushalt bereitgestellt sind. An einem Portal der zerstörten Synagoge wolle die CDU festhalten. Dazu diene unter anderem die Arbeit der Studenten. Das Portal solle bewusst als Fragment gestaltet werden.
'Es soll als Zeitzeuge an ein dunkles Kapitel der Geschichte erinnern,' betonte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende."
März 2000 Rheinpfalz vom 2.3.2000:
Rotary-Club engagiert sich für Gedenktafel.
[...]
Für den Fall, dass es nicht bei einer Gedenktafel bleiben und die Stadt eine künstlerisch gestaltete Gedenkstätte favorisieren sollte, stellte der Präsident (Reinhold Gondrom) eine finanzielle Beteiligung seines Clubs 'in angemessener Weise' in Aussicht.


Auf der Sitzung des Stadtparlaments am 13.3.2000 bringen die vier im Stadtrat vertretenen Fraktionen CDU, SPD, Grüne und FDP einen gemeinsamen Antrag ein, in dem sie die Verwaltung auffordern, unverzüglich die Gedenktafel mit den Namen der jüdischen Opfer aus Kaiserslautern zu errichten.
April 2000 Rheinpfalz vom 12.4.2000:
"Wettbewerb für Synagogenplatz.
Der Ortsbeirat Innenstadt Ost hat einen Wettbewerb für Studierende im Lehr- und Forschungsgebiet Landschafts- und Grünordnungsplanung von Prof. Hanns-Stephan Wüst ausgelobt."
August 2000 Rheinpfalz vom 3.8.2000:
"Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Rheinland-Pfalz plädiert für Stätte auf dem Ehrenfriedhof. [...]
Ein Abbild der Synagoge - unter Umständen in Bronze gegossen und in einen Stein eingelassen - halte er an dem Platz der ehemaligen jüdischen Kirche hingegen für angemessen."
September 2000 Rheinpfalz vom 9.9.2000:
"Pläne für Synagogenplatz prämiert.
[...]
Der Ortsvorsteher [Adolf Hans Wimmer, d.Red.] würdigte die Sensibilität, mit der die jungen Menschen an ihre Konzepte herangegangen seien. [...]
Einen Scheck über je 500 Mark erhielten Soledad Caparrós Ramón, Nadja Edinger und Julia Weißmann. Sonderpreise von je 150 Mark aus den Mitteln des Ortsvorstehers gingen überdies an Nova Batcha und Antje Meinert."


Rheinpfalz vom 20.9.2000:
"OB: Gedenkstätte im Frühjahr 2001 fertig.
[...]
Die Entscheidung über die Ausgestaltung der Gedenkstätte kündigte Deubig für die Haushaltssitzung des Stadtrats am 18. Dezember an. "
Juni 2001 Rheinpfalz vom 12.6.2001:
" Die Entscheidung über eine Gedenkstätte auf dem Synagogenplatz ist gefallen: das Fragment eines Torbogens des im September 1938 gesprengten jüdischen Gotteshauses soll rekonstruiert, die Namen der jüdischen Mitbürger, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, sollen aufgelistet werden. Das haben gestern der Bauausschuss, der Kulturausschuss und der Ortsbeirat Innenstadt Ost nach einer gemeinsamen Sitzung ohne Gegenstimmen entschieden."
Oktober 2001 Rheinpfalz vom 31.10.2001:
" Arbeiten am Mahnmal beginnen.
[...]
Ein Torbogen-Fragment der früheren Synagoge wird rekonstruiert – als Mahnmal auf dem Synagogenplatz. Die Arbeiten sollen in den kommenden Tagen beginnen."
November 2002 Rheinpfalz vom 21.11.2002:
"Bauarbeiten am Mahnmal für die Holocaust-Opfer aus Kaiserslautern:
Mit Buntsandstein aus den Vogesen verkleiden Christian Kaplan, Hermann Berberich und Alexander Seifert von der ausführenden Firma zwei Pfeilerfragmente, die an das Eingangstor der 1938 zerstörten Synagoge erinnern werden."
März 2003 Rheinpfalz vom 4.3.2003:
" Mahnmal: Streit um Arbeiten hält an, Baustelle auf Synagogenplatz ruht - Steinmetz wartet auf Zahlung bisher erbrachter Leistungen."

Rheinpfalz 18.3.2003:
"Steinmetzbetrieb gekündigt - Oberbürgermeister Deubig begründet Anordnung der Stadt - Bauausschuss billigt Entwurf für Neugestaltung des Platzes."

Rheinpfalz 27.3.2003
" Mahnmahl: Hochbauamt vergibt Auftrag neu."


[Seitenanfang]  [Homepage]  [eMail]