Wir Über uns  


4.10.2005


Pfr. Wilfried Anslinger, Homburg

Beerdigung von Hans Joachim Oeffler

am Freitag, dem 26. August 2005,
1400 Uhr, Friedhof Homburg



Liebe Angehörige und Freunde unseres Verstorbenen,



Hans Joachim hat uns heute eine schwere Aufgabe gestellt. Er wollte, dass niemand traurig sei an seinem Grab. Das wird uns wahrscheinlich nicht gelingen. Denn zu schwer wiegt die Tatsache, dass er nicht mehr bei uns ist. Für Euch, die Angehörigen, für seinen großen Freundeskreis, für die Vielen, die ihn kannten. Man wird bestürzt sein, wenn die Todesnachricht sich verbreitet. Denn unser Verstorbener war mehr als nur ein normaler Pfarrer unserer Landeskirche. Er war jemand, der eine große, spürbare Lücke hinterlässt. Gerade in unserer pfälzischen Kirche, wo es an mutigem Bekennen in der Vergangenheit so oft gemangelt hat. Er selbst sah sich vielleicht nicht in einer so herausgehobenen Rolle als Prophet oder gelegentlich sogar als Rufer in der Wüste, obwohl es so war.

Bei seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit wären ihm Ehrungen, die seiner wahren Rolle entsprochen hätten, peinlich gewesen. Dies ist auch der Grund, warum wir heute als kleiner Kreis versammelt sind, ohne Orgel, Blumen, Kränze und die üblichen Äußerlichkeiten, um ihn so aus unserer Mitte zu verabschieden, wie er es gewünscht hat.

Wir denken an ihn als einen wahrhaftigen, liebenswürdigen und sanftmütigen Mitmenschen. Als einen Freund, wie es wenige gibt. Als ein Vorbild.

Das Lebensmodell Jesu war ihm Leitfaden. Das in einer Ernsthaftigkeit, die ihresgleichen sucht. "Liebet Eure Feinde, segnet, die Euch fluchen", diese radikalen Worte der Bergpredigt begriff er nicht als Aufhänger für Sonntagspredigten, wie es landeskirchlicher Brauch ist, sondern als verpflichtende, unmittelbar geltende Verhaltensnorm. Kaum ein böses Wort kam über seine Lippen, seinen zahlreichen Gegnern war er ein aufrechter, unverbitterter Widerpart, den sie nicht überwinden konnten, der sie aber auch nicht bedrohte. Der allenfalls ihr verhärtetes Weltbild bedrohte mit dem Gandhiwort: "Überwinde Deine Feinde durch Liebe".

Er war eine "Stimme der Gemeinde", jener anderen Gemeinde, die es auch und Gott sei Dank immer stärker gibt in unserer Landeskirche, die hörbarer geworden ist in den letzten Jahren, sich nicht gemein macht mit den Machthabern, sondern in jesuanischer Konzentriertheit an der Wahrheit, am Menschen, an der bedrohten Schöpfung orientiert ist. Was wäre Kirche ohne sie?

Als Sohn eines pfälzischen Pfarrers kannte er sich aus in der Bibel, im Katechismus und im Gesangbuch. Obwohl der Vater kriegsbedingt zeitweise abwesend war, hat ihn das Kirchliche nie losgelassen und das Kirchliche war zu seiner Jugendzeit das nicht-staatliche, nicht-nationalsozialistische. Dass braun nicht die Farbe Gottes sei, hat er von früher Jugend an gelernt. Später, als er Theologie studierte, hat ihm das geholfen, seine Orientierung zu finden: an Karl Barth, Martin Niemöller, und später an Ostermarsch und Friedensbewegung. Er war ein guter Theologe, aber keiner mit Scheuklappen. Karl Barth war vielleicht etwas enttäuscht, dass er an den pfälzischen Raufereien mehr Interesse fand als an einer angebotenen Doktorarbeit. Es gibt jedoch Augenblicke im Leben, wo man sich entscheiden muß. Für ihn waren DFU und später die christliche Friedenskonferenz wichtiger als die Klärung von Martin Luthers Taufverständnis. Wenn der Weltfrieden bedroht ist, wenn die Existenz der ganzen Menschheit auf dem Spiel steht, war für ihn die Präferenz klar. Erstaunlich ist daran eigentlich nur, dass dies damals so wenige erkannt haben. Er wollte einen Beitrag leisten, Feindbilder abzubauen, die wahnwitzige Aufrüstung zu stoppen, Leben zu retten. In der Zeit des Kalten Krieges erforderte ein solches Engagement Mut und Standhaftigkeit. So kam er, der Sanftmütige, zu seinen Feinden. Und auch zu manchem Rückschlag, denn das Sprichwort, wonach gegen Dummheit selbst Götter vergebens kämpfen, gilt auch heute, es galt besonders damals im Vaterländchen zwischen Rhein und Elbe.

Trotzdem hat er Erfolge gesehen. Er gehörte zu jenen, die einen Beitrag geleistet haben zur Überwindung der Feindschaften, der Blockideologien, einen Beitrag, den niemand quantifizieren kann, der aber eingeht in die künftige Gestalt unserer Welt. Seine Arbeit ist gewiß nicht vergeblich gewesen, Auch in seiner Gemeinde Siegelbach nicht, wo sein Name heute noch Gewicht hat und bei vielen gute Erinnerungen wachruft.

Und wie stand es um die Theologie? Ist sie in den Hintergrund getreten? Sie blieb präsent als leise Begleitmelodie seines Lebens. Zwar hat er über Luthers Taufverständnis nicht promoviert, doch er hat entscheidend dazu beigetragen, dass Kindersegnungen und Erwachsenentaufen in unserer Landeskirche möglich geworden sind und auch praktiziert werden. Er war ein Theologe, wie er sein soll: Mitten im Leben stehend und doch mit Blick über den Horizont hinaus.

So ist er auch für Euch in der Familie ein wertvoller Mensch gewesen. Kein Funktionär, der immer nur auf Dienstreise war. Das Familiäre, das Politische und das Kirchliche war in Eurem Haus nie zu trennen. Dadurch habt Ihr an allem teilgenommen, wart in alles verwickelt, habt mit ihm, an seiner Seite gekämpft: Für die Wahrheit und für eine bessere Welt. Das war gewiß alles andere als bequem. Doch Ihr habt ein interessantes, aufregendes Leben verbracht. Vor allem Du, liebe Helga, ziehst dieses Fazit, und Du findest Dich dabei in guter Gesellschaft. Gretchen Dutschke, die ihren Mann ganz früh verlor, hat das gleiche erlebt und sagt es so.

Entscheidend ist nicht die Spanne der Zeit, sondern ihre Qualität. Die nimmt Euch niemand. Ihr habt Euch ergänzt und einander geholfen. Fast 60 Jahre lang seit Ihr den Spießern ein Dorn im Auge gewesen, den alten Nazis, den Frömmlern und Heuchlern, die so zahlreich waren im kirchlichen Milieu. Dafür sei Euch gedankt, im Namen aller, die den aufrechten Gang vorziehen.

Hans Joachim hat es sich nie leicht gemacht. In der Theologie nicht, in der Politik nicht, im praktischen Leben nicht. Weil er mit offenen Augen durchs Leben ging, wußte er, dass der Mensch nicht nur für die Theorie geschaffen, sondern morgens zum Fischen, mittags zum Jagen und abends für die Philosophie geboren ist.

Er hat dementsprechend auch viele Handwerke beherrscht, vom Peugeotmechaniker bis zum Installateur. Gemäß dem Nachkriegsmotto: Dem Ingeniör ist nichts zu schwör, wußte er sich immer zu helfen, das war für Euch ein großer Vorteil.

Wenn er einmal gefragt wurde, welches das schwerste sei von allen Handwerken, die er beherrschte, soll er geantwortet haben: Das Betonieren. Schwerer als das Betonieren sei nur noch das Predigen.

Ich glaube, die da oben werden ihn jetzt ganz gut brauchen können. Wer weiß, vielleicht haben sie ihn deswegen so früh geholt. Weil bei ihnen auch nicht mehr alles niet- und nagelfest ist. Oder weil die Engel wieder mal im Streit liegen. Dann würde der Freude im Himmel unsere Trauer auf Erden entsprechen. Gemein ist das.

Wir hätten ihm noch viele schöne Jahre gewünscht auf Erden. Er sich selber auch, denn ihm war bewusst, dass seine Zeit zu kurz gewesen ist für alles, was er gerne nochvollendet hätte. So hat er in den letzten Monaten die verbleibende Zeit ausgekostet, Monatsgeburtstage gefeiert und sich an der kleinen Emma gefreut, diesem großen Geschenk. Im Haus Am Schloßberg habt Ihr noch zwei intensive, gute Monate verbracht.


Was bleibt, haben wir nur noch teilweise in der Hand. Es gilt, sein Erbe zu bewahren: Den aufrechten Gang, die unerschrockene Stimme aus protestantischer Gesinnung.

Alles andere überlassen wir dem, der Himmel und Erde gemacht hat, der auch die neue, bessere Welt mit denen heraufführt, die sich des Evangeliums nicht schämen und sich in die Nachfolge stellen.



Amen.



Nachruf der VVN-BdA Kaiserslautern mehr...

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