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Stadt Koblenz

"Rassische" Verfolgung und "Euthanasie"
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Im Juni 1934 hat es erstmals Verhaftungen von Sinti und Roma in Koblenz gegeben. Eine gezielte Aktion gegen sie führte die Kriminalpolizei Anfang Januar 1936 durch; sie durchsuchte Wohnungen und nahm Verhaftungen vor, deren genaue Zahl nicht bekannt ist. Nachdem der Reichsinenminister in einem Erlaß vom 22. Juni 1936 zur allgemeinen Bekämpfung der Zigeuner im gesamten Reichsgebiet aufrief, verlangte die Stadt Koblenz von der Polizei, die seit 1932 im ehemaligen Kernwerk der Feste Franz wohnenden 12 Sinti- und Romafamilien zu entfernen; die kommunale Presse unterstützte diese Hetze, indem sie ständig eindringlich vor Zigeunern warnte und auf Prozesse in anderen Städten verwies, die zur Abschreckung dienen sollten. Der administrative und öffentliche Druck auf die in Koblenz lebenden Sinti und Roma wurde schließlich so stark, dass Anfang 1938 von ehemals 12 Familien nur noch 2 mit zusammen 27 Personen in der Stadt ansässig waren. Sie wurden am 5. und 6. August 1938 nach Weissenfels an der Saale abgeschoben, von wo sie allerdings, zusammen mit Sinti und Roma aus anderen deutschen Städten nach Koblenz zurückgeschickt wurden und am 17. August wieder eintrafen. In der Folgezeit wurden die im Mittelrheingebiet lebenden Sinti und Roma in Koblenz konzentriert und am 17. Mai 1940 - zu diesem Zeitpunkt waren es noch 78 - in das "Generalgouvernement" deportiert; an ihrem Schicksal dürfte - auch ohne Nachweis - kein Zweifel bestehen.

Am 1. April 1933 fand in Koblenz die erste größere Hetz- und Boykottaktion gegen die jüdischen Bürger statt. Sie wurde auf einer Kundgebung am Abend des 30. März im evangelischen Gemeindesaal eröffnet und vorbereitet, besonders Handels- und Gewerbetreibende waren dort zuhauf erschienen. Unter der Schlagzeile "Die Abwehraktion in Koblenz - Generalboykott gegen die Greuelpropaganda und gegen den Boykott im Ausland" berichtete der Koblenzer Generalanzeiger am folgenden Tag über die Veranstaltung; darin hieß es u. a.: "Ohne dass ein Mensch sie dazu gezwungen habe, seien deutsche Juden ins Ausland gegangen, um einen Lügenfeldzug gegen uns zu führen."

Kreispropagandaleiter Michels gab dann die Losung aus:
"Kein Deutscher kauft noch bei einem Juden. Kein Deutscher läßt sich durch einen jüdischen Arzt behandeln. Kein Deutscher läßt sich durch einen jüdischen Anwalt beraten oder vertreten. Kein Deutscher liest jüdische Zeitungen. Der Abwehrkampf setzt schlagartig am Samstag, 1. April, vormittags Punkt 10 Uhr, ein und zwar durch: 1. Aufstellung von Abwehrposten vor jüdischen Geschäften und Lokalen.
2. Aufklärung der Bevölkerung mittels einer Plakatschilderaktion.
3. Sprechchöre in den Straßen von Koblenz,
4. Kenntlichmachung deutscher Geschäfte und Lokale - mittels abgestempelter Plakate: 'Kein Jude'."
Verfolgung der Sinti und Roma
In Koblenz beteiligten sich auch namhafte Firmen an der antijüdischen Aktion gegen Kaufleute, Ärzte und Rechtsanwälte, u. a. die Sektfirma Deinhardt, die danach an ihre Auslandsvertretungen in 24 Ländern aller Kontinente ein Schreiben zur "Erläuterung" der Aktion richtete, in dem es u. a. hieß:
"Das mangelnde Verständnis, das das Ausland der nationalen Erhebung in Deutschland entgegenbringt, veranlaßt uns, Sie zu bitten, in Ihrem Kunden- und Freundeskreis dafür einzutreten, dass die falschen Darstellungen und Berichte, die von gewissenloser Seite aus durchsichtigen Gründen über Deutschland verbreitet werden, widerlegt werden.
Die Maßnahmen, die die deutsche Regierung zur Unterdrückung dieses verleumderischen Vorgehens angeordnet hat, sind nur als Abwehr gegen diese Bewegung gedacht. ...
Das Leben in Deutschland, versichern Sie das bitte Ihren Freunden draußen, geht seinen regelmäßigen Gang weiter. Es sind sogar schon Anzeichen vorhanden, dass sich Handel und Wandel belebt und dass das ganze deutsche Volk einen viel zufriedeneren und zuversichtlicheren Eindruck macht, als dies in den letzten Jahren der Fall gewesen ist. Die Volkserhebung hat nur den Zwck, mit den Mißständen im eigenen Lande aufzuräumen; die Beziehungen zum Ausland sind davon unberührt. Deutschland will in Frieden mit der ganzen Welt leben!"


Ähnliche Schreiben verbreiteten die Koblenzer Fa. Leonhard Tietz AG, der Konsul der Republik Paraguay, Dr. Georg Mayer-Alberts an "sein" Außenministerium sowie die Koblenzer Werkstein- und Traggesellschaft Werkstein- und Traggesellschaft an ihre Geschäftsfreunde im Ausland; die folgende Formulierung in diesem Schreiben stellt ein Höchstmaß an demagogischer Umkehrung von Ursache und Wirkung dar:

"Kaum war diese für jeden Staat lebensnotwendige Einigkeit in Deutschland vollzogen, so begann in vielen Zeitungen des Auslandes eine maßlose Hetze gegen Deutschland. Berichte über Judenpogrome, Mißhandlungen Andersdenkender wurden kolportiert, wohl zu dem Zwecke, die anderen Staaten gegen Deutschland aufzuhetzen und so dem deutschen Volke den Aufstieg aus der Verelendung zu erschweren. Wir sehen uns veranlaßt, Ihnen hierdurch höflich mitzuteilen, dass alle derartigen Berichte nicht den Tatsachen ensprechen..."

Trotz des in der Bevölkerung relativ geringen Echos wiederholten die Nazis in den folgenden Monaten solche Hetz-Aktionen, wobei nicht selten Scheiben eingeworfen und andere "Sachbeschädigungen" vorgenommen wurden, in Koblenz war insbesondere die Westdeutsche Kaufhof AG davon betroffen.

Einen Höhepunkt der antijüdischen Hetzmaßnahmen stellte auch in Koblenz die Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 dar, in der Wohnungen und Geschäfte der Juden zerstört, die Synagoge im Bürresheimer Hof am Florinsmarkt demoliert, die Inneneinrichtung vernichtet und zahlreiche Juden misshandelt wurden.

Ein Augenzeuge berichtete später:
"Uns gegenüber, in der Kurfürstenstraße, wohnte ein jüdischer Schuhmachermeister, der sein Geschäft schlecht und recht betrieb. Er hatte zwei kleine Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Am Morgen des 10. November sah ich, wie zwei Männer, die mir als Mitglieder der Geheimen Staatspolizei bekannt waren, mit schweren Holzknüppeln unter dem Mantel in die Wohnung eindrangen und nicht nur die Steppmaschine des Schuhmachermeisters, sondern in den Schränken auch das Geschirr und persönliche Erinnerungsstücke zerschlugen. Mein Deutschlehrer an einem der beiden Koblenzer Gymnasien, dem ich dies am andern Morgen empört berichtete, sagte nur, das sei Staatsraison."

An die ehemalige Synagoge erinnert heute eine Tafel und - seit September 1986 - ein Gedenkraum im Bürresheimer Hof mit Schautafeln, Kultgeräten, Fotos und Dokumenten über das Schicksal jüdischer Familien in Koblenz.

Aus Koblenz emigrierten nach der Progromnacht zahlreiche Juden, darunter die Mitarbeiter der Beratungsstelle des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Die in Koblenz verbliebenen - es werden zu jener Zeit noch etwa 300 gewesen sein - wurden weiteren Mißhandlungen ausgesetzt, wenn sie nicht den Freitod wählten.

Allein bei den Deportationen der Jahre 1942 und 1943, die einzigen nachweisbaren in Koblenz, wurden über 200 Juden abtransportiert. Sie kamen nach Auschwitz, Izbica und Theresienstadt, einige auch nach Bergen-Belsen, Maidanek, Neuengamme und Sabibor.

Nur wenige der in Koblenz ausharrenden haben das Ende des Zweiten Weltkrieges überlebt, nämlich 22; 1933 waren es noch 600 und 1929 800!

Auf dem Friedhof der Jüdischen Kultusgemeinde, Schlachthofstraße 5, befindet sich eine Gedenksäule für die ehemaligen jüdischen Mitbürger der Stadt Koblenz.

Ein jüdischer Friedhof befindet sich auch in der Schwerestraße, auf ihm wurden während der Zeit des Faschismus fast alle Grabsteine gewaltsam entfernt.
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