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Spuren des Naziterrors in Kaiserslautern Stadtrundgang (Innenstadt)


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Rundgang Station 14 jüdische Geschäfte in
der Eisenbahnstraße
(Adolf-Hitler-Straße)

AUS DER NSDAP-ANORDNUNG ZUR BILDUNG ANTISEMITISCHER AKTIONSKOMMITEES AM 28.MÄRZ 1933:
" 1. In jeder Ortsgruppe und Organisationsgliederung der NSDAP sind sofort Aktionskommitees zu bilden zur praktischen, planmäßigen Durchführung des Boykotts jüdischer Waren, jüdischer Ärzte und jüdischer Rechtsanwälte. Die Aktionskommitees sind verantwortlich dafür, daß der Boykott keinen Unschuldigen, um so härter aber die Schuldigen trifft....

3. Die Aktionskommitees haben sofort durch Propaganda und Aufklärung den Boykott zu popularisieren. Grundsatz: Kein Deutscher kauft noch bei einem Juden oder läßt von ihm und seinen Hintermännern Waren anpreisen. Der Boykott muß ein allgemeiner sein. Er wird vom ganzen Volk getragen und muß das Judentum an seiner empfindlichsten Stelle treffen...

8. Der Boykott setzt nicht verzettelt ein, sondern schlagartig; in diesem Sinne sind augenblicklich alle Vorarbeiten zu treffen. Es ergehen Anordnungen an die SA und SS, und vom Augenblick des Boykotts ab durch Posten die Bevölkerung vor dem Betreten der jüdischen Geschäfte zu warnen. Der Boykottbeginn ist durch Plakatanschlag und durch die Presse, und durch Flugblätter u.s.w. bekanntzugeben. Der Boykott setzt schlagartig Samstag den 1. April punkt 10.00 vormittags ein. Er wird solange fortgesetzt, bis nicht eine Anordnung der Parteileitung die Aufhebung befiehlt.

9. Die Aktionskommitees organisieren sofort in zehntausenden von Massenversammlungen, die bis in das kleinste Dorf hineinzureichen haben, die Forderung nach Einführung einer relativen Zahl für die Beschäftigung in allen Berufen entsprechend ihrer Beteiligung an der deutschen Volkszahl. Um die Stoßkraft der Aktion zu erhöhen, ist diese Forderung zunächst auf 3 Gebiete zu beschränken: a) auf den deutschen Mittel- und Hochschulen, b) für den Beruf der Ärzte, c) für den Beruf der Rechtsanwälte..."

Zitiert nach: Helmut Eschwege, Kennzeichen "J", Frankfurt am Main 1979 Seite 36 ff.






In der Eisenbahnstraße gab es zu Beginn der 30'er Jahre mehrere Geschäfte mit jüdischen Inhabern.
März 1933
1933 war die Eisenbahnstr. einer der zentralen Punkte der Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung, vor allem des Boykotts jüdischer Geschäfte. Die nebenstehende "NSDAP-Anordnung zur Bildung antisemitischer Aktionskommitees" belegt, daß die Boykottaktionen von den Nazis in ganz Deutschland generalstabmäßige geplant waren.

Bereits am 13. März 1933 wurden bei einer Reihe von Geschäften Kaiserslauterer Juden die Schaufensterscheiben eingeschlagen und die Auslagen zum großen Teil auf die Strasse geworfen so u. a. bei Wohlwert, Erwege und Schweriner.

Am 1. April 1933 wurde auch in Kaiserslautern, nach entsprechender propagandistischer Vorbereitung durch die faschistischen Zeitungen, ein sog. Judenboykott durchgeführt, indem SA-Posten vor jüdischen Geschäften aufzogen und potentielle Kunden vor dem Betreten abgeschreckt werden sollten. Der Verlag der faschistischen "NSZ-Rheinfront" druckte zu dieser Zeit ein "Verzeichnis der nichtarischen Geschäfte in Kaiserslautern" das Namen und Anschriften von 124 Geschäften, 6 Ärzten und 8 Rechtanwälten enthielt.

November 1938
In der Reichspogromnacht am 9.-10. November 1938, den planmäßig vorbereiteten Pogrom gegen die Juden in Deutschland, war die Eisenbahnstraße Hauptfeld für die Übergriffe der Nazis gegen die Juden in Kaiserslautern. E. Lüth damals Werbeleiters eines Industrieunternehmens berichtet über die Reichspogromnacht 1938 in Kaiserslautern folgendes:

"Die Taxe, die mich mit meinem Gepäck von meiner Wohnung zum Bahnhof brachte, bog aus der Pirmasenser Str. in Kaiserslautern in die frühere Eisenbahnstr. ein die in jenen Jahren zeitweilig Adolf-Hitler Straße hieß. Es herrschte noch tiefe Dunkelheit. Plötzlich begann der Asphalt im Licht der Straßenlaternen zu glitzern als sei der Fahrdamm von Wasser oder einer Schicht Quecksilber überschwemmt. Es war Glas: eine knöcheltiefe Schicht zersplitterten Spiegelglases. Die Splitter begannen unter dem mahlenden Druck der Autoreifen zu klirren und zu scheppern. wir passierten die Schaufensterfront eines großen jüdischen Kaufhauses. Die Fenster waren blind geworden, die Schaufenster ausgehöhlt...."

Aus: "Reichskristallnacht", Bonn 1959 In der Reichspogromnacht wurden in Kaiserslautern von elf jüdischen Geschäften zehn vollständig und von 160 jüdischen Wohnungen etwa 110 völlig oder erheblich zerstört. Ecke Eisenbahnstr./Karl Marx Str.wurde die Wohnung einer jüdischen Familie zerstört, die Wohnungseinrichtung auf die Straße geworfen, darunter ein Flügel, ein Kinderbettchen, ein Babykorb. Eine jüdische Mutter mit ihren kleinen Kindern hielt sich noch zwei Tage nach der Pogromnacht im November 1938 im Keller des Hauses verängstigt versteckt. Das Haus wurde von 2 SA-Männern bewacht und niemand wagte es, ihr zu helfen.

"Arisierung", Vertreibung bzw. Verschleppung und Ermordung
"Arisierung" der Geschäte sowie die Vertreibung bzw. Verschleppung und Ermordung der Inhaber und ihrer Familien waren auch in Kaiserslautern der Ziel- und Endpunkt des Naziterrors. Bei der "Arisierung" wurden jüdische Geschäftsinhaber gezwungen ihr Geschäft weit unter Wert an "Arier" zu verkaufen. Aufgrund des starken Andrangs von "Arisierungs"-Interessenten gründete Gauwirtschaftsberater Bösing eine sog. Auffanggesellschaft für jüdische Vermögenswerte.

Zwischen 1938 und 1940 verließen ca. 250 jüdische Bürgerinnen und Bürger Kaiserslautern. 49 Kaiserslauterer Jüdinnen und Juden wurden ins französische Lager Gurs deportiert, wo 17 von Ihnen ermordet wurden, 10 weitere wurden nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.




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